Offenes Netzwerktreffen der Wohnungslosen

1.Stiftung vom 13. bis 17. September 2023 in Dinslaken

Die Aufgabe der Wohnungslosen_Stiftung. Gesellschaft für Selbstvertretung wohnungsloser Menschen und Empowerment auf Augenhöhe gUG besteht im Kern darin, wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen sowie Menschen in Wohnungsnot zusammen zu bringen und zu ermutigen, sich selbst zu Wort zu melden. Wir sind gemeinnützig und mildtätig und können so „bedürftige“ Menschen auch unmittelbar unterstützen.

 Wir als Wohnungslosen_Stiftung haben uns freiwillig vorgenommen, zwei Mal im Jahr – in der Regel im Frühjahr und im Herbst – offene Netzwerktreffen zu organisieren. Da wir Kontakte im gesamten deutschsprachigen Raum haben, tun wir dies an unterschiedlichen Standorten, im Herbst 2023 in Dinslaken am Rand des Ruhrgebiets. 

So luden wir für Mittwoch bis Sonntag, 13. bis 17. September 2023 in die Heidebrinkschule bei Dinslaken ein. Die Heidebrinkschule ist ein Selbstversorgerhaus mit 35 Betten und bietet zudem die Möglichkeit, auf der Wiese zu zelten – was auch genutzt wurde. Der für Netzwerktreffen eher ungewöhnlich lange Zeitraum von drei ganzen Arbeitstagen resultiert aus dem Wunsch der Teilnehmenden vergangener Treffen, mehr Zeit und Ruhe für den Austausch und das Kennenlernen zu haben.

Insgesamt waren auf dem Treffen 34 Menschen aus 21 Orten anwesend. Weitere 7 Menschen wollten dabei sein, konnten aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht dabei sein. Sehr tragisch dabei ist die Geschichte von Valerie aus Darmstadt, ein auf der Straße lebender obdachloser Mensch, der wenige Tage vorher zusammengeschlagen wurde. Michael hatte ihn angesprochen und ermutigt, mit dabei zu sein. Christine aus Frankfurt wollte ihren pflegebedürftigen Vater nicht allein lassen, Gregor aus Berlin war kurzfristig an Corona erkrankt.

Ein gutes Drittel der Teilnehmenden war erstmalig auf dem Netzwerktreffen dabei und wie immer nahm das Kennenlernen und Austauschen einen großen Raum ein. Die Selbstversorgung führte dazu, dass Menschen in unterschiedlichsten Konstellationen miteinander gemeinsame Aufgaben übernahmen und so ins Gespräch kamen und ihre Kompetenzen einbringen konnten. Durch die Kooperation mit dem Bioladen in Dinslaken konnten wir weitgehend regional, vegetarisch und nachhaltig unseren Speiseplan zusammen stellen. Alle lobten das gute und gesunde Essen. Bei einigen vorbereiteten Gerichten mussten wir nur die Beilagen (Nudeln, Reis usw.) zubereiten, was die Küchenarbeitszeit wesentlich verkürzte. Die Verwendung ökologisch angebauter Produkte war zugleich ein Statement: Menschen, die wenig zum Leben haben, sollen ebenso wie andere Zugang zu gesunden, nachhaltig erzeugten Lebensmitteln haben.

Großen Raum nahm der Workshop zur Erarbeitung von Forderungen ein, und am nächsten Tag ging es in einem Twitter-Workshop darum, diese zu verbreiten. Einige Teilnehmende erstellten erstmalig einen Account und machten ihre ersten Erfahrungen mit dem Medium. Es wurde deutlich, welche Möglichkeiten sich damit bieten. Ein weiterer Beitrag kam von Swen, der online dazu geschaltet war und der von seiner Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des tödlichen Überfalls auf den obdachlosen Hans-Georg Jacobson am 28. Juli 1993 in Straßberg bei Berlin berichtete. Es folgte ein intensives Gespräch über Gewalterfahrungen von Menschen auf der Straße. 

Eindrücklich war auch die Lesung von Klaus Jünschke aus seinem unlängst erschienenen Buch Gefangen & Wohnungslos, dem eine bewegende und zum Teil sehr persönliche Diskussion über eigene Knasterfahrungen folgte.

Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit werden oft als individuelles Problem dargestellt und viele fühlen sich auch schuldig und allein gelassen. Unsere offenen Netzwerktreffen hingegen tragen wesentlich dazu bei, soziale Kontakte herzustellen, die über die Treffen hinaus funktionieren. Das sind zum Teil persönliche Beziehungen, gegenseitige Hilfe und Unterstützung, aber auch gemeinsame politische Auftritte zu Anlässen wie Recht auf Stadt-Forum, MietenwahnsinnCamp, Wohnungslosenhilfetagungen, Treffen der Menschen mit Armutserfahrungen usw. 

Das offene Netzwerktreffen der Wohnungslosen_Stiftung in Dinslaken wurde finanziert von der Stiftung Care for Future in Freiburg und der Deutschen Stiftung Engagement und Ehrenamt in Neustrelitz sowie mit Eigenmitteln / Spenden der Wohnungslosen_Stiftung. 

Wir danken herzlich allen Beteiligten.

Sybill & Stefan (Wohnungslosen_Stiftung)

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