10 Jahre Care Revolution Netzwerk

Konferenz und Feier vom 18. bis 20.10.2024 in Leipzig

Das Care Revolution Netzwerk existiert seit 2014. Sein zentrales Anliegen ist, die Bedingungen für Menschen grundlegend zu verbessern, in deren Leben Sorgebeziehungen einen großen Umfang einnehmen: Alleinerziehende, pflegende Angehörige, auf Assistenz Angewiesene, Kita- oder Krankenhausbeschäftigte usw. Da der Großteil der gesellschaftlichen Arbeit in Deutschland Sorgearbeit ist, teils entlohnt, vor allem aber auch unentlohnt in Familien oder im „Ehrenamt“, würden alle Menschen von einer Gesellschaft profitieren, die Sorge und Solidarität zentrale Bedeutung einräumt und die die Beziehungen unterstützt, in denen dies stattfindet. Im Netzwerk Care Revolution finden sich Menschen zusammen, denen eine solche grundlegende Veränderung ein Anliegen ist und die miteinander Schritte dorthin gehen wollen. Wichtige Schritte dabei sind umfassende Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, erwerbsunabhängige Absicherung für alle, Entprivatisierung und Demokratisierung der Care-Einrichtungen, selbstorganisierte kollektive Care-Lösungen (Commons) und Kritik aller Normen, die Care-Aufgaben insbesondere weiblich gelesenen Menschen zuordnen. Um hier vorwärtszukommen, ist eine Zusammenarbeit aller in Sorgebeziehungen wichtig, deshalb sucht das Netzwerk nach Forderungen, die allen helfen.

Nach zehn Jahren war es Zeit für ein Zwischenfazit und auch fürs Feiern des Erreichten. Ausgerichtet wurde das Jubiläum vom Netzwerk Care Revolution – die Leipziger Regionalgruppe und ein überregionales Orga-Team waren hier besonders involviert – sowie vom Konzeptwerk Neue Ökonomie und dem Verein Solidarisch Sorgen. Die Stiftung Care for Future unterstützte das Event durch die Übernahme der Honorare für drei Workshops und für das Awareness-Team.

Die drei Tage begannen am Freitagabend mit einer Podiumsdiskussion. Nach einer Eröffnung durch zwei Mitorganisatorinnen von Care Revolution diskutierte Liska Beulshausen (Wirtschaft ist Care) mit Antje Schrupp, Mike Laufenberg und Nadia Shehadeh darüber, was die Care Revolution für sie ausmacht, was in zehn Jahren erreicht wurde und was eben nicht. Es gab auch eine engagierte Beteiligung des Publikums, darunter viele im Netzwerk Aktive. Insgesamt nahmen etwa 100 Personen an dieser Veranstaltung teil. Insgesamt hatten sich 120 Personen angemeldet, dazu kamen Tagesgäste.

Am Samstag fanden die Workshops statt. Genutzt wurden verschiedene Räume – beispielsweise Linke-Parteibüro, Bastelwerkstatt, Frauenzentrum –  in Leipzig-Lindenau. In drei Zeitfenstern wurden jeweils sechs Workshops angeboten. Die Formate waren ganz unterschiedlich: Von der klassischen Input-Diskussions-Veranstaltung über Lesung und Stadtspaziergang bis zum Tanzworkshop. (Hier das komplette Programm.)

  Hier werden auch die unterschiedlichen Zugänge deutlich: Es ging sowohl um Care-Themen im engeren Sinn, Sorgearbeit mit Menschen und ihre Rahmenbedingungen, etwa in Workshops zu Streiks in Care-Einrichtungen oder zu Sorgezentren. Es ging um den gesamtwirtschaftlichen und sozialpolitischen Rahmen, etwa um die Finanzierung der Care-Infrastruktur. Schließlich wurden Schnittstellen von Care und anderen gesellschaftlichen, Sorgebeziehungen massiv beeinflussenden Prozessen diskutiert, in Workshops zu Care und Krieg oder zur Care-Dimension einer Gesellschaft ohne Wachstum. Immer wieder waren auch Organisierung und Konfliktführung Gegenstand der Workshops.

Von der Stiftung Care for Future wurden die folgenden Workshops gefördert:

1. Banden bilden! Am Beispiel der feministischen Mütter*vernetzung Ost.

Lesekreise für Mütter in Leipzig-Ost organisiert, bot Folgendes an: Ausgehend von einem gemeinsam gelesenen Text, einem Ausschnitt aus Heide Lutoschs ‚Kinder haben‘, wird von persönlichen Erlebnissen erzählt und reflektiert gemeinsam. Die Teilnehmer*innen waren eingeladen, ihre Babys mitzubringen, aber auch ohne Kinder willkommen.

2. Sorge ins Parkcenter – Wie enteignen wir ein Shoppingcenter feministisch? Mit Nadine Gerner und Lola Fischer-Irmler von der Kampagne ‚Sorge ins Parkcenter‘/Berlin.

Die Referentinnen sind Teil einer Initiative in Berlin-Treptow, die ein weitgehend leergefallenes Einkaufszentrum zu einem Sorgezentrum entsprechend den von den Menschen im Einzugsgebiet formulierten Bedarfen umbauen möchte. Sie stellten ihre Überlegungen und erste Erfahrungen aus ihrer Arbeit im Stadtteil vor und berichteten von historischen und internationalen Beispielen für die Entprivatisierung und die radikale Umorganisierung von Sorgearbeit. Vor diesem Hintergrund wurden anschließend Strategien und Wege für eine Vergesellschaftung von Sorgearbeit und Shoppingcentern diskutiert, einschließlich der Probleme auf dem Weg.

3. Humose Sorgebeziehungen / Caring with Soils. Mehr-als-menschliche Care-Ethik am Beispiel fürsorglicher Mensch-Boden-Beziehungen. Mit Pauline Lürig & Manuel Wagner (quEErEcologiEsCollEctivE)

In diesem Workshop wurde Mensch-Boden-Beziehungen nachgespürt, mit Bezug auf den u.a. Maria Puig de la Bellacasa vertretenen Ansatz und die eigene Involviertheit in diese Beziehungen graphisch nachvollziehend.

Außerdem förderte die Stiftung ‚Care for Future‘ das Awareness-Team, das während des Jubiläums vor Ort war. Es war Teil des Konzepts, bewusst einen Rahmen zu schaffen, in allen Teilnehmenden ein möglichst unbeschwertes Dabeisein ermöglicht wird, durch den Umgang miteinander, aber auch z.B. durch die Übernahme von Arbeitsaufgaben durch Teilnehmer*innen und durch Angebote wie Kinderbetreuung und Awareness. Dem Awareness-Team stand ein Rückzugsraum für eventuell erforderliche Gespräche im geschützten Rahmen zur Verfügung. Dass das Team vor Ort war, wurde von Teilnehmenden trotz der als zugewandt und solidarisch wahrgenommen Stimmung als sehr positiv empfunden.

Am Sonntag schließlich fand eine netzwerkinterne Auswertung statt, wie das Netzwerk Care Revolution momentan aufgestellt ist und welches weitere Schritte sein können. Auch dieser Teil war noch erfreulich gut besucht.

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